Die Prinzessin schläft noch

Leseprobe aus: Die Prinzessin schläft noch

Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter, die sehr lieb und hübsch war. Sie war so lieb und hübsch, dass jeder sie gerne leiden mochte. Jeder bewunderte ihre einmalige Schönheit und mit ihrem sanften Wesen nahm sie jeden gefangen. Selbst das Spieglein in ihrem Zimmer meinte jedes Mal, wenn sie hineinsah, dass sie weit und breit die Liebste und Hübscheste sei.


Dies erregte aber die Missgunst einer bösen Fee, die seit langer Zeit im Königreich lebte und die das Glück der Königstochter nicht gerne leiden mochte. Nichts Gutes hatte sie daher im Sinn, als sie an einem fröhlichen Morgen, an dem die Sonne hell am Himmel stand, vor die Königstochter trat.


"Du bist wunderschön, mein liebes Kind!", sprach sie mit engelsgleicher Stimme. "Doch trotz all deiner Schönheit scheint mir dein Haar ein wenig spröde!"


"Kann nicht sein!", antwortete die Königstochter und fuhr mit der Hand durch ihr glattes, goldenes Haar. Hatte sie es denn nicht stets gut gekämmt und gebürstet?


"Iss diesen Apfel und dein Haar wird schöner sein als je zuvor!", meinte da die böse Fee.


Es war ein großer Apfel, der rot leuchtete und der die Königstochter allzu sehr verlockte. Doch war der Apfel vergiftet! Wer ihn kostete, fiel in einen tiefen, todgleichen Schlaf.


"Ein wenig bitter!", meinte die Königstochter nach dem ersten Bissen. Doch ungerührt aß sie den ganzen Apfel auf. Da dauerte es nicht lange und eine große Müdigkeit überkam sie.


"Ach, was bin ich mit einem Mal so müde!", seufzte sie. "Doch ich will gar nicht schlafen, denn die Sonne scheint so freundlich und die Wolken ziehen so heiter über den Himmel!"


Aber es half nichts. Schon schlossen sich ihre Augen und ihr Kopf sank vornüber. Doch bevor sie in einen tiefen Schlaf fiel, schrie der Hahn aus vollem Halse.


"Kikeriki! Kikeriki!"


Jäh schreckte die Königstochter auf und war mit einem Schlag hellwach. "War es alles nur ein Traum gewesen?", fragte sie sich verwundert.


  

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