Dämon

Leseprobe aus: Dämon

Für die, die mich noch nicht kennen: Ich heiße Florian und bin der Sohn des Friedhofwärters. Unser Haus steht direkt am Friedhof. Wenn ich will, kann ich vom Dachboden aus die Gräber sehen und bei den Beerdigungen zuschauen. Doch meistens ist das nicht besonders spannend. Auf den Gräbern häufen sich die Blumen und Kränze. Die Trauernden stehen steif und reglos um das Grab und die Reden des Pfarrers sind immer dieselben.


Ich wünschte, dies hier wäre ein Friedhof wie aus den Romanen der Reihe Geisterjäger John Sinclair. Ein Ort mit verwitterten Steinen und unheimlichen alten Grabgewölben. Das wäre richtig gruselig, wenn nachts vom Fluss die Nebel herüberziehen. Wenn sich der Mond hoch über die knorrigen Bäumen erhebt und sein gespenstisches Licht über die Gräber gießt!


Doch leider hat unser Friedhof das nicht zu bieten. Nur die Kapelle mit ihren schmalen, spitzen Fenstern und den dunklen Bäumen rundherum wirkt ein wenig schaurig. Immerhin gibt es dort alte Wandtafeln aus bröckelndem sandfarbenem Stein. Doch ist darauf nicht viel zu sehen. Nur ein paar Verzierungen und die Namen von Leuten, die heute keiner mehr kennt.


Als ich unlängst durch die Friedhofskapelle spaziere, bleibe ich stehen und schaue mir die Steinplatten näher an. Die Inschriften sind mit Schnörkeln und Girlanden versehen. Die alten Buchstaben haben etwas Merkwürdiges an sich. Ich versuche die Zeilen zu lesen, was mir jedoch recht schwer fällt, und gelange schließlich zu dem Relief eines wirklich scheußlichen Drachens. Es ist das erste Mal, dass ich mir diese Darstellung genauer betrachte.

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