Träume im dunklen Gewölbe

Leseprobe aus: Träume im dunklen Gewölbe

Solange ich denke, bin ich in diesen dunklen Gewölben gefangen. Der Atem vergessener Jahre erfüllt diese Mauern. Die schweren vergitterten Tore verwehren jeden Zugang, und durch die niedrigen Fenster zieht ein kühler erdiger Hauch. Während des Tages liege ich wie tot, rege mich nicht und kann keinen Atemzug tun. Doch wenn die Sonne im Grau der Berge versinkt und die Nacht mit ihren dunklen Träumen heraufsteigt, dann heben sich meine Lider, und ich erwache zu neuem Leben.

Ich fliehe aus dem Gefängnis, enteile hinaus in die aufziehende Dunkelheit. Die Sonne ist versunken, doch der Glanz des Himmels blendet mich. Der Widerschein des Tages brennt wie Feuer auf meiner Haut. Doch ich will keinen Augenblick verlieren. Schon vernehme ich ihre Schritte, sehe ihre anmutige Gestalt herannahen. Wie verzaubert mich der Anblick ihres Gesichtes! Ihre großen Augen, der sanfte Schwung ihrer Lippen! Wie sehr verlangt es mir nach ihrer Nähe! Voller Erwartung lausche ich ihren Schritten, ihrem Atem, dem Schlag ihres Herzens. Ich bin gefangen von ihrem Lächeln und der stillen Traurigkeit, die sie umgibt.

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